Münchner Merkur 20.1.2016

Aktualisiert: 20.01.16 – 10:11

Alternatives Wohnprojekt im Schlachthofviertel

Stattpark Olga: Die Wagenburg muss weg


Trautes Heim: Katrin und Frank im Bauwagen.

München – Die Leute vom „Stattpark Olga“ pflegen einen alternativen Lebensstil. Seit eineinhalb Jahren parken sie auf einem Platz im Schlachthofviertel. Doch dort müssen sie ihre Zelte bald abbrechen. Wie es weitergeht, ist unklar.

Draußen, auf dem Platz, weht ein eisiger Wind. Es liegt Schnee auf dem Wagenplatz, immer wieder rattern Züge vorbei. Doch drinnen, in Franks Wohnwagen, ist es mollig warm. Der 40-Jährige lebt auf ein paar Quadratmetern. Holzboden, Sofa, Bücherregal, Herd, Bett: Eigentlich ist alles da. Muss es aber auch. Denn Reiseführer Frank macht hier ja nicht Urlaub. Sondern er lebt hier, mitten in der teuersten Stadt Deutschlands, am Rand des Schlachthofviertels – in einem Wagen.

Den „Stattpark Olga“ gibt es schon einige Jahre. 18 Erwachsene und sechs Kinder sind es heute. Leute, die in keiner Wohnung leben wollen. Sondern gemeinsam und doch ganz individuell. Oft alleine in einem Wagen. Aber auch mit den anderen auf dem Platz. In Bauwägen, Lastwägen, Zirkuswägen standen sie früher an der Dachauer Straße, später in Ramersdorf, seit eineienhalb Jahren an der Ecke Tumblinger Straße/Ruppertstraße. Doch damit ist, wie es aussieht, in wenigen Wochen Schluss.

Dabei war der Standort im bunten Schlachthofviertel wie gemacht für „Olga“. Bezirksausschuss-Chef Alexander Miklosy (Rosa Liste) sagt, ganz am Anfang habe es noch ein paar Bedenken unter Nachbarn gegeben. „Aber die Leute haben sich gut im Viertel integriert. Unterm Strich war das wirklich unproblematisch.“

So leicht wie Münchner Bezirksausschüsse in Rage zu bringen sind, heißt das: 0,0 Probleme. An den Donnerstagabenden des heißen Sommers 2015 konnte man sich ein Bild machen vom unkompliziertem Zusammenleben mit den Schlachthofviertlern. Ganz hinten auf dem Platz, in Richtung Gleise, hatten die Bewohner eine Holzhütte gebaut. Vor der saßen jeden Donnerstag „Olga“-Bewohner, Nachbarn und Musiker, die kurz davor noch ein Konzert gegeben hatten, friedlich bei einem günstigen Bier zusammen am Feuer.
Der Bauwagen – der schnellste Weg zum Eigenheim

Jetzt ist es eisig kalt auf dem Platz. Das Leben hat sich in die Wagen verlagert. Neben Frank sitzt Katrin, 28, rosa Mütze, breites Grinsen. Die Architektin aus Stuttgart sagt, ein Bauwagen sei der einfachste Weg zum Eigenheim gewesen, in dem sie alles selbst gestaltet. Katrin genießt es, schnell draußen zu sein und nahe an der Natur. Nicht wie früher in ihrer Wohnung im dritten Stock.

Nah an der Natur? Im Schlachthofviertel? Die Wagenburgler sind nicht nur viel draußen. Sie haben zum Beispiel auch fünf Hühner, die fröhlich über den Platz gackern. Die Kinder lieben es, sagen die „Olga“-Leute. Ihre Mitschüler fragten immer, ob sie nicht auch mal in einem Wagen übernachten dürfen.

Das Projekt hat an Profil gewonnen, seit es an dem zentraleren Standort ist, für den die „Olga“-Leute Miete an die Stadt überweisen. Das Wohnprojekt ist bekannter geworden. Und hat doch ein großes Problem. Denn die Zukunft ist – wieder mal – ungewiss. Eigentlich war mit der Stadt vereinbart, nur bis Ende 2015 bleiben zu dürfen. Jetzt ist die Rede von Ende April. Dann ist wohl tatsächlich Schluss, eine Berufsschule soll gebaut werden. „Derzeit gibt es keine Anzeichen, dass sich der Beginn des Neubaus verzögert“, sagt ein Sprecher der Stadt. Man sei in engem Kontakt, prüfe vorgeschlagene Standorte. Innerhalb des Mittleren Rings werde es aber „immer schwieriger“.

Frank und Katrin sagen beim Tee im Bauwagen kein schlechtes Wort über die Stadt. „Der Wille ist da“, sagt Frank. „Alle sind aufgeschlossen.“ Man mache der Stadt immer wieder Vorschläge für leere Flächen, auf die man gerne für ein paar Jahre ziehen würde.
In München tut man sich schwerer als in anderen Städten

Ein bisschen gehört aber wohl auch zur Wahrheit, dass man sich im Münchner Rathaus schon immer etwas schwerer tut mit Wagenplätzen als in anderen Städten. „Und die Begeisterung wird im Stadtrat und in der Verwaltung noch kleiner“, beklagt etwa die Grünen-Fraktionsvorsitzende Gülseren Demirel. „Es gibt einfach kein Bewusstsein dafür, dass Menschen sich freiwillig zu dieser Lebensform entscheiden.“ Offenbar ist die Suche auch deshalb noch schwieriger geworden, weil sehr viele vorübergehend freie Flächen für Flüchtlinge benötigt werden. Grünen-Stadtrat Dominik Krause appelliert: „Es braucht auch in einer Stadt wie München alternative Projekte. Und zwar zentral. Das muss die Verwaltung unterstützen!“

Dem Vernehmen nach wird eine Fläche an der Großmarkthalle geprüft, alternativ ist die Rede von einem Standort an der Boschetsrieder Straße. Katrin und Frank werden so oder so wieder dabei sein. „Kann schon sein, dass ich irgendwann wieder in einer Wohnung leben will“, sagt Katrin bestimmt. „Aber jetzt ist das hier genau das Richtige.“
Felix Müller

Felix Müller

E-Mail:felix.mueller@merkur.de

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