Mucbook vom 1.8.2018

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Aktuell, Stadt, Wohnen trotz München
Die Münchner Wagendörfer suchen verzweifelt Standplätze
01 Aug 2018, 15:33 von Giulia Gangl

Lange hat es nicht gedauert, bis sich die drei Bauwägen letzte Woche auf dem Max-Joseph-Platz formiert haben. Lange hat es auch nicht gedauert, bis sich die erste Menschentraube davor bildete. Ist ja auch ein interessanter Kontrast, so ein Mini-Wagendorf zwischen Residenz und Staatsoper, am Anfang der schicken Maximilianstraße.

Wird hier etwa mitten in München ein Grundstück besetzt?

Drei Wagenplätze gibt es in München. Nicht gerade viel, verglichen mit den rund 50 allein in Berlin. Aber dennoch scheint es nicht genug Platz zu geben für OLGA, Hin & Weg und Rad & Tat. Mit der Aktion am Max-Joseph-Platz möchten die Wagendorf-Bewohner auf ihre Not aufmerksam machen und neugierigen Münchnern bei frischer Limonade und einem Stück Schokoladenkuchen von sich erzählen.


Stattpark OLGA – Vier Umzüge in acht Jahren

Vom Kreativquartier nach Giesing, von Giesing in die Tumblingerstraße und schließlich nach Obersendling, an den Ratzingerplatz: Die Bewohner des Stattparks OLGA, 20 Erwachsene und fünf Kinder, haben seit der Gründung des Wohn- und Kulturprojekts schon einiges mitmachen müssen. Nun steht ein neuer Umzug an. Bis August muss das Gelände in Obersendling geräumt werden. Dort soll eine neue Schule entstehen.

Frank wohnt schon seit 12 Jahren in seinem Bauwagen. Seine damalige WG hat sich aufgelöst, das Wagenleben hat er über Freunde kennen und lieben gelernt. Bei OLGA ist er von Anfang an mit dabei. Anfang des Jahres war man noch optimistisch, erzählt er uns, doch jetzt, einen Monat vor Ablauf des Vertrages, macht sich Angst breit. Was, wenn sie keinen neuen Stellplatz finden? Dabei sind die Ansprüche überhaupt nicht groß. Nur genug Platz bräuchten sie, ansonsten müsse man halt kucken.

Bisherige Vorschläge des Kommunalreferats, von Freiham bis Lochhausen, wurden jedoch abgelehnt. Der Stattpark sieht sich nicht zwischen Autobahn und Feldern, erzählten die Bewohner uns im April. Denn Olga will mehr sein als ein reines Wohnprojekt und den Anwohnern auch ein vielseitiges Kultur- und Freizeitprogramm bieten. Am Stadtrand ist das nicht möglich.

Favorisierter neuer Stadtort wäre der Herrmann-von-Siemes-Park in Obersendling, in den schnell und unkompliziert übergesiedelt werden könnte. So könnten auch die Kinder an ihren Schulen bleiben. Die Münchner Grünen – Rosa Liste unterstützen das Vorhaben mit einem Antrag zur dringlichen Behandlung bei der kommenden Feriensenatssitzung.



Hin und Weg – Viel hin und her, wenig Transparenz

Hin und Weg e.V. trifft es vergleichsweise gut: Erst am Tag zuvor gab es die Info, dass ein neues Grundstück in Aussicht steht. Vor 20 Jahren wurde der Verein gegründet, seit 12 Jahren steht das Wagendorf mit 13 Erwachsenen und zwei Kindern, auf dem Denninger Anger in Bogenhausen. Nun sollen dort mehrere Grünanlagen zu einem neuen Park, dem Pühnpark, zusammengeführt werden. Während der Umbauarbeiten, die etwa 1,5 Jahre beanspruchen, braucht Hin und Weg eine nahegelegene Ausweichfläche, danach dürfen sie – wahrscheinlich – wieder zurück. Dabei werden sie einstimmig vom Bezirksausschuss 13 (München-Bogenhausen) und den Anwohnern unterstützt. Insgesamt herrsche jedoch nur wenig Transparenz, was die Entscheide der Stadt betrifft.

„Die Anwohner gehen viel lieber durch den Park, seit wir hier sind,“ erzählt Lasse. Davor wurde der Park oft zum Entsorgen von Sperrmüll missbraucht. Jetzt ist es viel sauberer, die Leute fühlen sich sicher. Das Wohnprojekt unterstützt den Naturkindergarten Bogenhausen (NAKIBO), bietet Nachbarschaftshilfe und stellt einen hochfrequentierten, öffentlichen ‚Umsonstschrank‘ zum Tausch nicht mehr benötigter Alltagsgegenstände. Geplant sind außerdem ein Sonntagscafé mit kulturellem Programm und Workshops, eine Hundestation und eine Fahrradstation mit Luftpumpe, Flickzeug und etwas Werkzeug.

Ulf wohnt seit 2004 in dem 800 Quadratmeter großem Wagendorf. Seine Frau und er teilen sich einen Bauwagen (24 Quadratmeter), die beiden Kinder wohnen zusammen in einem eigenen (15 Quadratmeter). „Wenn es nicht gerade regnet, sind wir aber eigentlich immer draußen,“ erzählt er uns. „Man lebt halt minimalistisch. Aber alles, was man braucht, hat irgendwer. Wie in einer großen WG!“ Er schätzt am Wagendorfleben den Freiraum und die Zeit, die er mit seinen Kindern oder der Gemeinschaft verbringt. Denn den Luxus, Hausmann zu sein, also nur von einem Einkommen leben zu können, haben in einer Stadt wie München nicht viele.




Neugründung – Die Initiative Rad & Tat

Noch steht es leer, das Grundstück auf der Schwanthalerhöhe. Aber nicht mehr lange. Denn an der Ganghoferstraße soll eine neue Schule gebaut werden. Die vor einem halben Jahr neu gegründete Initative Rad und Tat, bestehend aus 15 Erwachsenen und 10 Kindern, möchte die leere, tote Brache bis dahin mit Leben und guten Ideen füllen. Der Vorschlag wurde beim Bezirksausschuss gut aufgenommen, sogar ein Empfehlungsschreiben für das Kommunalreferat hat das künftige Zwischennutzungsprojekt bekommen. Doch mit einem neuen Sachbearbeiter kommen jetzt auch neue bürokratische Hürden auf.

Florian von Rad und Tat versteht nicht, wieso es ihnen so schwer gemacht wird. Sie seien ja nicht der erste Wagenplatz in München. Außerdem würde die Stadt durch die Nebenkosten und Mieteinnahmen sogar Geld verdienen. Geld, das es nicht gibt, wenn die Fläche weiter brach liegt. Geld, mit dem bei der Stadt zum Beispiel die neue Stelle eines ‚Sachbearbeiters für Wagenplätze‘ geschaffen werden könne, scherzen Florian und Lasse.

Mehr als nur alternatives Wohnen

Gegen den Begriff ‚Wagenburg‘ sträuben sich die Wagendorfbewohner zutiefst, denn er impliziert genau das, was sie nicht sein wollen. Ihre Wagenparks stehen für Offenheit und basieren auf Austausch, sozialem Miteinander und gegenseitiger Unterstützung. Sie wollen ein Gegenpol zur städtischen Welt des Konsums bilden, unkommerzieller Freiraum sein, eine Ressourcen schonende und nachhaltige Lebensart vorleben. Und natürlich auch die Menschen, die nicht im Wagenpark wohnen, mit einbeziehen. Das funktioniert allerdings nur im Kerngebiet der Stadt, wo möglichst viele Menschen erreicht werden.

Gemeinschaftsgärten mit selbst angebautem Gemüse, Kinderbetreuung, offene Bühnen für unentdeckte Talente, Diskussionen und Workshops und gegenseitige Hilfestellung – die Wagenparks sind weit mehr als nur ein alternatives Wohnprojekt.

Dass das sonst so vornehme München prinzipiell kein Problem mit Containern und Bauwägen im Stadtbild hat, zeigt ein Blick auf das Werksviertel am Ostbahnhof oder den Bahnwärter Thiel auf dem Viehhofgelände. München kann Subkultur gut gebrauchen. Vieles scheitert allerdings an etwas anderem, was die sich immer mehr verdichtende Stadt München genau so dringend braucht: Freiflächen.

Helft mit!

Die Münchner Wagenparks bitten mit der Aktion auf dem Max-Joseph-Platz die Öffentlichkeit um Hilfe. Wer potentielle Vermieter oder Gelände kennt, kann seine Tipps an die folgenden Adressen schicken:

Stattpark OLGA e.V.: sags.olga@gmx.de

Hin und Weg e.V.: hinundweg089@posteo.de

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