Offener Brief der Solivernetzung München zur zapatistischen „Reise für das Leben“
Liebe Teilnermer*Innen der Veranstaltung vom 7.10. und insbesondere Menschen die nicht rein gelassen worden sind. Nach einiger Zeit der Pause und Reflexion möchten wir uns hier noch einmal melden und euch in einem offenen Brief die Situation rund um die Veranstaltung der „Reise für das Leben“ auf dem Wagenplatz Olga erklären. Es geht uns dabei nicht um eine Rechtfertigung, vielmehr wollen wir transparent machen, wie unsere Entscheidungsprozesse zur sehr ausgrenzenden Türpolitik abgelaufen sind und wie wir mit der Kritik, die von einigen Menschen geäußert wurde umgegangen sind. Es geht uns dabei auch darum zu zeigen, dass es wichtig ist, aus Fehlern zu lernen und dass wir eure Kritik ernst nehmen. Außerdem ist es uns sehr wichtig, mit Gruppen wie dem Stattpark Olga in einer guten und respektvollen Art und Weise zusammen zu arbeiten, weshalb wir die Situation nicht einfach so stehen lassen möchten. Wir freuen uns auch über nachträgliche Antworten, Kritiken oder Anregungen von Euch!
Kurz zur allgemeinen Orga des Besuchs der Zapatistas in Europa/Deutschland: Seit Januar 2021 haben sich Gruppen und Kollektive in ganz Europa und Deutschland zusammengefunden um die „Reise für das Leben“, also den Besuch der Zapatistas zu organisieren. Die Münchner Vernetzung hat sich im Februar gegründet und wurde lange Zeit von wenigen Einzelpersonen getragen, was schon zu Beginn nicht einfach war. Deutschlandweit organisierten sich um die 100 Gruppen, Kollektive und Einzelpersonen.
Entscheidungsprozesse waren nicht immer einfach und meistens sehr langwierig, da alles mit der „Basis“ in Mexiko (auf Seiten der Zapatistas) und in Deustchland mit den unzähligen Regionalvernetzungen abgesprochen werden musste. Die größten Schwierigkeiten der Reiseorga war die monatelange Unsicherheit und Ungewissheit ob und wann die Compas Zapatistas kommen würden, wobei komplexe Pläne und Routen immer wieder neu geplant werden mussten. Dies lag unteranderem an Schwierigkeiten der Beschaffung von Pässen für die Compas, auf Grund rassistischer Strukturen der mexikanischen Regierung, außerdem wollten viele europäische Länder die Compas nicht einreisen lassen, was uns ebenfalls erhebliche Schwierigkeiten bereitete.
Ziemlich spontan und ohne dass wir wirklich damit gerechnet hatten, erhielten wir dann Ende August die Nachricht, dass die Zapatistas in wenigen Tagen in Wien ankommen würden. In kürzester Zeit mussten wir uns ein komplett neues Programm überlegen, Sicherheitsvorkehrungen treffen, Transporte organisieren usw. Wir hatten wenig Info über den tatsächlichen Ablauf des Besuchs in München, wie viele Equipos wir aufnehmen würden und wie wir die Menschen in den Süden Deutschlands transpotieren sollten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch immer eine sehr kleine, wenn auch motivierte Gruppe.Es war für alle von uns das erste Mal, eine zapatistische Delegation zu begleiten und dementsprechend war es eine große Herausfoderung auf die verschiedenen Bedürfnisse einzugehen. Einerseit hatten wir in der Bundesweiten Orga recht strenge Sicherheits- und Coronakonzepte aufgestellt, die wir natürlich beachten wollten, andererseits wussen wir auch, dass sehr viele Menschen gerne mit den Compas diskutieren und sich austauschen wollen. Da bis ganz zum Schluß gar nicht klar war, ob die Compas überhaupt vor Menschen sprechen werden oder ob sie nur zuhören ( was bei den Veranstaltungen mit der Vorhut dem Escuadron 421 so war) wussten wir erst, als „unser“ Equipo in Bayern war, wie wir die Veranstaltungen überhaupt gestalten können. Wir hatten auf Anraten der anderen Gruppen die schon mit den Compas unterwegs waren eher geschlossene, kleine Veranstaltungen geplant, damit die Compas frei reden können. Sie hatten uns gegenüber ausgesprochen, dass sie nur vor Menschen sprechen, die politisch organisiert sind oder in irgendeiner Form politisch arbeiten und dass wir, also die Münchner Vernetzung die anwesenden Menschen kennen sollten. Diese Information erhielten wir leider erst wenige Tage vor der Veranstaltung auf der Olga, was dazu führte, dass wir die bis dahin angekündigte offene Veranstaltung ab 15.30 Uhr zurücknehmen mussten. Es war uns sehr wichtig, zumindest eine offene Veranstaltung für alle Interessierten zu machen, nach dem Gespräch mit den Compas mussten wir jedoch einsehen, dass wir überhaupt nicht garantieren können, zu wissen, wer genau zu der Veranstaltung kommt und in wie weit diese Menschen politisch organisiert sind. Wir haben darauf gehofft, dass Menschen sich nach der Veröffentlichung unseres zweiten Sharepics selbst einschätzen, ob die Erforderungen auf sie zutreffen oder nicht. Mit den Compas haben wir abgesprochen, an der Tür nochmal kurz mit den ankommenden Menschen zu sprechen und sie zu bitten, sich zu Beginn der Veranstaltung vorzustellen und zu sagen, aus welcher Gruppe oder politischem Themenbereich sie kommen. Das war den Compas sehr wichtig, da sie wissen wollten, mit wem sie es zu tun haben. Natürlich haben wir all das viel zu kurzfristig kommuniziert und viele Menschen haben es nicht mehr mitbekommen, was dann unter anderem zu sehr unangenehmen Situationen an der Tür geführt hat. Wir, die Orgagruppe war zu diesem Zeitpunkt sehr gestresst, neben Essen kochen, Übersetzung, Moderation, Absprache mit den Compas mussten wir irgendwie mit der Situation an der Tür umgehen, was dazu geführt hat, dass dort teilweise sehr unangebracht Leute befragt oder abgewiesen wurden. Teilweise mussten wir diese „Tür-aufgabe“ auch an Menschen abgeben, die gar nicht genau wussten, wie die Situation war, was bei vielen Leuten zu Unverständnis und Verwirrung geführt hat. Diese gesamte Situation tut uns sehr Leid und wir möchten uns dafür entschuldigen. Eine Anmeldung davor und eine bessere Kommunikation hätten vieles davon vermeidbar gemacht. Es schmerzt uns sehr, dass einige Menschen die seit Jahren politisch engagiert sind und sich schon lange mit den Compas Zapatistas beschäftigen nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten. Im Nachhinein hätten wir vieles anders gemacht, nun können wir nur weitergehen und gemeinsam aus den Erfahrungen lernen. Dennoch ist es uns nach längerer Reflexion darüber auch wichtig, dass ihr versteht, dass diese Situation vor allem auf Grund von sehr spontanen neuen Infos seitens der Compas, wenigen Kapazitäten, Stress und ungünstigen Absprachen so entstanden ist. Die Orga der „Reise für das Leben“ war für uns eine riesige Herausforderung. Vieles hat erstaunlich gut geklappt und einiges auch nicht, daraus lernen wir! Das Wichtigste ist jedoch, dass es weiter geht und dass auch die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen in München bestehen bleibt. Deshalb hoffen wir, dass ihr unser Handeln nachvollziehen könnt und der gemeinsame Kampf für das Leben und gegen den Kapitalismus weiter geht!
La lucha sigue! Eure Münchner Vernetzung