Stattpark Olga feiert seinen Einstand
Kultur gehört zum Konzept: Livemusik vom Duo Marah gab es beim Einzugsfest im Stattpark Olga. Foto: ick
Ihren Einstand feierte vergangenen Samstag die Gruppe Stattpark Olga auf dem Grundstück an der Aschauer Straße 34. Glücklich, endlich einen Platz zu haben, auf dem sie offiziell mit ihrer Wagenburg stehen zu können. Traurig, diesen Platz voraussichtlich Ende Januar 2012 wieder verlassen zu müssen.
Alte Bauwagen, ausrangierte Busse und Möbelwagen, ausgebaute Campingwagen und Lkws – die Palette der „Wohnungen“ von Stattpark Olga ist groß. In einem großen Kreis haben ihre Besitzer sie auf dem Gelände an der Aschauer Straße geparkt. Eine Wagenburg wie im Wilden Westen. Zu den Siedlern der Neuzeit gehört auch Sintje. Vor etwa eineinhalb Jahren ist sie mit Mann und zwei Kindern in den großen schwarzen Lkw gezogen. Von einer Fünf-Zimmer-Wohnung in einen Zehn-Quadratmeter-Raum. „Diese Idee, im Wagen zu wohnen, war schon immer in meinem Kopf“, erzählt die 31-Jährige. Mit anderen Leuten zusammen- und bedachter zu leben, mit dem Anspruch, unabhängig zu sein.
Bewusste Entscheidung
Es sei deshalb eine ganz bewusste Entscheidung gewesen, in den Wagen zu ziehen. Ein halbes Jahr wollte Sintje dieses Leben damals ausprobieren. Doch ein Zurück stand für sie nie in Frage. Auch wenn das Wohnen im Wagen nicht bequem ist. „Man muss sehr strukturiert leben.“ Für einige alltägliche Dinge wie Wasserkochen gehe viel Zeit drauf. „Dafür werden die Strecken kürzer.“ Gerade im Winter sei es manchmal schon anstrengend, wenn man nicht einfach auf irgendwelche Schalter und Knöpfe drücken kann und alles funktioniert automatisch. „Das ist hier viel lebensnäher“, meint Sintje. Zudem muss man mehr an seiner „Wohnung“ tun. Alle Wagenbesitzer sind ständig am Schrauben, Bohren und Reparieren. Man hilft sich gegenseitig.
Verzicht auf Platz
Auf was verzichtet man, wenn man im Wagen wohnt? „Ich verzichte auf Platz“, sagt Sintje. Beim Auszug aus der großen Wohnung musste sie sich stark reduzieren. „Das war reizvoll, zu viele Sachen können auch einengen.“ Um im Wagen nicht die Übersicht zu verlieren, sollte man frei von Besitzdrang sein. Für Einkaufsbummler oder Flohmarktjäger ist das nichts. „Warum auch, dass macht ja keinen Sinn.“ Wer im Wagen wohne, mache das ganz automatisch, meint Sintje, „man besinnt sich darauf, was man wirklich braucht im Leben.“ Mit dem Wenigen, was man habe, gehe man sehr bewusst um, so die junge Mutter. Zudem habe man nicht so viel Ablenkung und viel Zeit für schöne Dinge. „Wir sind ganz viel draußen, ganz nah an Natur und Wetter.“
Laptop und Handy
Übrigens: einen Fernseher gibt es im Wagen auch nicht. Doch habe jeder ein Handy und einen Laptop. Schließlich sind die Bewohner des Stattparks, die im Schnitt zwischen 20 und 40 Jahre alt sind, nicht weltfremd. Die Gruppe setzt sich aus Handwerkern, Pädagogen, Studenten und Selbstständigen zusammen. „Wir sind schon relativ normal“, beschreibt Sintje das kleine Völkchen. Sie selbst ist übrigens im IT-Bereich tätig. Jeder könne sich frei für dieses Leben entscheiden. „Es geht nicht ums Finanzielle, es geht um die Idee.“
Akzeptanz
Für diese Idee will die Gemeinschaft, die sich schon seit Jahren kennt, nun in Ramersdorf mehr Akzeptanz herstellen. Mit Kulturveranstaltungen und Nachbarschaftsaktivitäten. Vielleicht auch mit einer „Volxküche“, bei der einmal in der Woche gegen Spende ein Essen für jedermann als gemeinschaftliches Erlebnis angeboten werden soll.
Nicht viel Zeit
Sehr viel Zeit zum Entwickeln von Stadtteilaktivitäten hat Stattpark Olga nicht. Ende Januar 2012 müssen sie von der Aschauer Straße wieder weg. „Nur für neun Monate, das war eine große Enttäuschung“, sagt Sintje. Die Gruppe habe intensiv darüber diskutiert, „machen wir das trotzdem, macht es Sinn für uns.“ Für das Konzept einer Stadtteilbereicherung sei die kurze Zeit schließlich nicht hilfreich. Zudem hatte man gehofft, nicht nur Billigung, sondern aktive Unterstützung von der Stadt zu bekommen. Doch die Idee von einem offiziellen Wagenplatz, wie er in vielen Städten Deutschlands bereits existiere, sei für München offensichtlich schwer zu akzeptieren. „Da herrscht viel Skepsis, vielleicht auch Angst“, glaubt Sintje. Der Gedanke, dass dies ja jeder machten könnte, schrecke die Rathaus-Verwaltung wohl ab.
So fassen die Olgarianer ihre Entscheidung pro Wagenplatz auch als Herausforderung auf. „Wir wollen uns präsentieren, um dauerhaft akzeptiert zu werden.“ Um endlich einen dauerhaften Standort in München zu erhalten.
Carmen Ick-Dietl